04.04.2024
Simona Todesco
«Ob mit oder ohne AI: am Ende geht es bei Übersetzungen um Sicherheit»
Supertext und Textshuttle fusionieren. Was haben die international erfolgreiche Text- und Übersetzungsagentur und der führende Anbieter kundenspezifischer KI-Übersetzungslösungen zusammen vor? Wir haben bei den Gründern nachgefragt. Ein Gespräch über ungelöste Probleme in der mehrsprachigen Kommunikation und das perfekte Zusammenspiel von KI und menschlichen Expert:innen.
Das Wichtigste zuerst: Warum fusioniert ihr?
Sam: Unsere Kund:innen sind schuld. Fabian und ich haben lange über ihre Herausforderungen in der mehrsprachigen Kommunikation gesprochen – und dabei festgestellt, dass weder Supertext noch Textshuttle sie alleine ganzheitlich meistern können.
Von welchen Herausforderungen eurer Kundschaft sprecht ihr konkret?
Fabian: Heute haben fast alle Unternehmen mehrere Partner, um mehrsprachig aktiv zu sein: Sprachdienstleister wie Supertext, bei denen sie wichtige Publikationen professionell übersetzen lassen. Und mindestens ein KI-System für die schnelle Übersetzung, z. B. von Inhalten für die interne Kommunikation.
Übersetzungsbüros liefern verlässliche Qualität und Beratung, sind aber oft zu teuer, zu langsam und zu umständlich in der Administration. KI-Systeme sind schnell und nutzerfreundlich, haben aber oft Limitationen bei der Sprachqualität und der Datensicherheit.
Und wie packt ihr das Ganze jetzt gemeinsam an?
Fabian: Indem wir kundenspezifische AI-Translation-Systeme auf einer einzigen Plattform nahtlos mit dem Service der kreativsten Sprachprofis verbinden. Eine Lösung, bei der die KI laufend von den Expert:innen lernt – und umgekehrt. Ein One-Stop-Shop für jedes mehrsprachige Bedürfnis, von der internen E-Mail bis zum Skript für die internationale TV-Kampagne.
Fabian Dieziger, Mitgründer und Verwaltungsrat von Supertext, und Samuel Läubli, Mitgründer von Textshuttle und neuer CEO von Supertext, im Gespräch
AI als Wundermittel preisen gerade viele. Was ist bei euch besser?
Sam: Wir verwenden AI nicht als Marketing-Buzzword, sondern um echte Probleme zu lösen und Unternehmen nachhaltig erfolgreicher zu machen. Der Weg dahin führt oft über Spezialisierung. Wir können Übersetzungsmodelle bis ins Detail auf spezifische Bedürfnisse und Feinheiten in der Corporate Language zuschneiden. Für Unternehmen bietet das massive Vorteile.
Kannst du ein Beispiel für so eine massgeschneiderte Lösung machen?
Sam: Mehr als eines. Für OBI haben wir ein System entwickelt, das es einem kleinen internen Team ermöglicht, den Webshop mit über 100’000 Produkttexten in 10 Sprachen laufend aktuell und «on brand» zu halten. Für KUONI setzt unsere KI vollautomatisch einheitliche Reiseunterlagen zusammen, z. B. aus italienischen Hotelbeschreibungen und kryptischem Englisch der Fluggesellschaften. Und für Radiotelevisiun Svizra Rumantscha durften wir den allerersten KI-Übersetzer für Rätoromanisch entwickeln.
Und wo bleibt bei all der künstlichen Intelligenz Platz für die menschliche Kreativität?
Fabian: Sie ist nach wie vor wichtig – nur nicht für jeden Text. Wir sind überzeugt, dass AI Translation heute schon für 80 % aller Übersetzungen gut genug ist. In 10 Jahren werden es gegen 99 % sein. Aber auch in 50 Jahren noch nicht 100 %.
Unsere Rolle als Dienstleister ist es, zu wissen, welche Texte den menschlichen Touch brauchen. Und unseren Kund:innen dann mit Rat, Tat und den besten Spezialist:innen zur Seite zu stehen.
Was seid ihr denn nun: AI Company oder Übersetzungsbüro?
Sam: Beides – und weder noch. Wir sehen uns eher als Versicherung.
Übersetzen können heute alle. Im Unterschied zu Gratis-Technologie verkaufen wir Sicherheit. Zum einen beim Datenschutz, damit keine vertraulichen Informationen bei der Konkurrenz landen. Zum anderen beim Inhalt, damit Webshops keine Käufer:innen mit fehlerhaften Produktbeschreibungen abschrecken und AGB und Verträge auch in Fremdsprachen niet- und nagelfest sind. Wir können beides, je nach Anspruch mit 0–100 % Technologie.
Was dürfen Kund:innen schon heute konkret von euch erwarten?
Fabian: Selbstverständlich bieten beide Unternehmen ihren bekannten Service nahtlos weiter. Gleichzeitig wollen wir möglichst viele Kund:innen auf die Reise mitnehmen, indem sie ihren gesamten Sprachbedarf bei uns konsolidieren.
Das bietet handfeste Vorteile: Massgeschneiderte AI Translation lebt vom Datenschatz aus professionellen Übersetzungen – und Übersetzer:innen profitieren vom besseren KI-System als Arbeitsgrundlage. Eine perfekte Symbiose, die als schlanke Lösung aus einer Hand erst noch die Administration vereinfacht.
Und wohin soll es in Zukunft gehen? Welche Ziele habt ihr euch gesteckt?
Sam: Richtig gespannt sein darf man auf Ende 2024. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Integration aller Geschäftsbereiche. Bis Ende Jahr bauen wir unter dem gemeinsamen Namen Supertext eine Plattform auf, die eine völlig neue Art der Interaktion mit KI und menschlichen Expert:innen ermöglicht.
Wir haben einen klaren Plan. Und gemeinsam das perfekte Setup, um den Markt kräftig aufzumischen. Mit rund 30 Entwickler:innen und 90 Sprachprofis sind wir agil, um bei technischen Entwicklungen ganz vorne mitzuspielen und gleichzeitig gross genug, um anspruchsvolle internationale Kunden wie Swatch, Puma oder Generali zuverlässig glücklich zu machen.
Eines ist sicher: Wir haben Grosses vor! In mehr als 100 Sprachen.
Samuel Läubli studierte Künstliche Intelligenz in Edinburgh und doktorierte an der Universität Zürich, von wo aus er Textshuttle 2016 als Spin-off-Unternehmen mitgründete. Im Zuge der Fusion übernimmt er den CEO-Posten bei Supertext.
Fabian Dieziger war Leiter einer internationalen Firma für Kunsttransporte, bevor er Supertext 2005 mitgründete. Als «Chef vom Business» sorgte er dafür, dass im Geschäft mit den Worten auch die Zahlen stimmten, und leitete das Europa-Geschäft bis 2022. Seither konzentriert er sich als Verwaltungsrat und Mitinhaber auf die strategische Ausrichtung.